Bewegender »Schichtwechsel" zwischen Inke Jensen und Robert Koch
Zwei Menschen, zwei völlig unterschiedliche Lebenswelten und ein Tag, der sie einander näherbrachte. Beim bundesweiten Aktionstag „Schichtwechsel“ tauschten Bürgervorsteher Robert Koch und WerkHUS-Mitarbeiterin Inke Jensen ihre Rollen und erhielten dabei neue Einblicke und echte Nähe
Für Inke Jensen, die seit fast vier Jahrzehnten im WerkHUS arbeitet, war es ein besonderer Tag. Obwohl sie unter anderem aufgrund einer Lähmung und Sehbehinderung eigentlich längst in Rente sein könnte, kommt das für sie nicht infrage. „Ich arbeite gerne hier“, sagte sie mit einem Lächeln. Ihre heutige Aufgabe: Ihrem „Schichtpartner“ zeigen, was sie täglich leistet und das ist eine ganze Menge.
Sie arbeitet in der Abteilung für Kondensatoren, verpackt Bauteile, trennt Isolatoren sauber ab und presst mit Muskelkraft Hakenösen in Kunststoffteile. Ihre Handpresse wurde eigens angepasst, denn sie sitzt im Rollstuhl und kann die Maschine nicht wie üblich mit dem Fuß bedienen.
Robert Koch, von Berufswegen Finanzbeamter und ehrenamtlich Bürgervorsteher in Husum, nimmt bereits zum zweiten Mal am „Schichtwechsel“ teil. Für ihn ist klar: „Das Amt des Bürgervorstehers soll sichtbar sein und genau das passiert heute hier.“ Inke Jensen sei zwar morgens nervös gewesen, wie sie erzählte, aber kaum sei Robert Koch dagewesen, „dann war alles gut.“. Zwischen den Arbeitsschritten erzählen sie einander aus ihrem Leben und lachen viel.
„Der Rollstuhl ist für mich natürlich eine echte Umstellung“, meinte Robert Koch und schwang kräftig die Arme, um von A nach B in der Werkstatt zu kommen. „Und Inkes Arbeit ist viel abwechslungsreicher, als ich dachte.“ Was ihn besonders beeindruckte: die Haltung, Klarheit und die Warmherzigkeit seiner „Gastgeberin“.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen in der Kantine ging es für die Beiden dann weiter, diesmal ins Rathaus. Dort durfte Inke Jensen den Spieß umdrehen und einmal in Robert Kochs Rolle als Bürgervorsteherin schlüpfen. Eine Erfahrung, die zeigte, dass Teilhabe in beide Richtungen funktioniert.
Im Rathaus nahm sich Robert Koch Zeit, seiner „Schichtpartnerin“ die Welt der Stadtpolitik näherzubringen. Er erklärte, wie Sitzungen ablaufen, welche Themen die Stadtverordneten besonders beschäftigen und nicht zu guter Letzt, wie man überhaupt ein solches Amt übernehmen kann. Inke Jensen hörte aufmerksam zu, nickte immer wieder und scherzte schließlich: „Wissen will ich das schon – aber schaffen würde ich das neben der ganzen Arbeit wohl nicht.“
Gemeinsam besichtigten sie den Ratssaal und sprachen über aktuelle Projekte in Husum, vom Ausbau barrierefreier Angebote bis hin zu Fragen der Stadtentwicklung. Rückblickend auf den Tag betonte Robert Koch, wie eindrücklich ihm bewusst geworden sei, dass man im Alltag sehr schnell auf Unterstützung angewiesen sein kann. Gerade deshalb ist der „Schichtwechsel“ auch ein wichtiges Projekt: Er ermöglicht Begegnungen auf Augenhöhe, schenkt neue Perspektiven und zeigt, wie sehr Wertschätzung und gegenseitiges Verständnis das Miteinander bereichern können. Für Inke Jensen war es ein erfüllender Tag, der sie mit einem breiten Lächeln zurückließ: „Das war wirklich schön heute.“
Der Aktionstag „Schichtwechsel“, koordiniert von der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM), bringt Menschen mit und ohne Behinderung auf Augenhöhe zusammen. 2024 beteiligten sich bundesweit rund 4.200 Menschen, 2025 soll diese Rekordzahl noch übertroffen werden laut BAG WfbM.
