Aus (blinder) Liebe wurde Prostitution: Faltblatt klärt über Loverboys auf
„Liebe macht blind“ lautet ein bekanntes Sprichwort. Dieser Sachverhalt klingt erst einmal recht harmlos, aber lässt sich auch auf sehr ernste Dinge beziehen. Besonders häufig neigen junge Menschen dazu, in ihrem Verliebtsein nicht mehr zu hinterfragen, ob die geliebte Person es wirklich gut mit ihr meint oder möglicherweise sehr negative Absichten verfolgt. Dies nutzen die sogenannten Loverboys aus, die Mädchen und Frauen die große Liebe vorgaukeln, um sie in die Prostitution zu führen.
Mädchen und Frauen, die auf einen Loverboy hereingefallen sind, berichten davon, dass dieser anfangs sehr lieb zu ihr war und ihr wertvolle Geschenke machte. Sie fühlten sich glücklich und geliebt. Irgendwann bittet der angebliche „Traumprinz“ um Hilfe. Das Geld wird knapp und das Mädchen soll es verdienen, in dem es Sex mit anderen Männern hat. Gleichzeitig wird das Mädchen von ihrer Familie und ihrem Freundeskreis isoliert – und immer weiter in die Prostitution hineingetrieben.
Loverboys wenden dabei perfide psychologische Methoden an, die ein Entkommen aus der Situation sehr schwierig macht. Betroffene Mädchen und Frauen werden in einer Mischung aus Abhängigkeit, „blinder Liebe“ und Bedrohung gefangen gehalten.
Wichtig ist, dass Betroffene Anlaufstellen haben, in denen ihnen Verständnis für ihre Situation entgegengebracht (anstatt ihnen Vorwürfe zu machen) und Hilfestellungen für ein Entkommen aus dem Teufelskreis geboten wird.
Der AK „Was machst du aus Liebe?“, der aus verschiedenen Institutionen besteht, die sich für die Belange von Jugendlichen und Frauen einsetzen, hat sich im Jahr 2019 dem Thema angenommen. Im September 2021 fand die Online-Konferenz „Traumprinz oder Zuhälter“ mit Andrea Schönhoff von der Berliner Präventionsorganisation „Liebe ohne Zwang“ zu dem Thema statt. An dieser nahmen mehr als 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer teil, die die Informationen weiter in die Öffentlichkeit tragen.
Kürzlich ist ein Faltblatt entstanden, das die Problematik in das Bewusstsein rückt, Betroffene anspricht, das Umfeld zum Handeln ermutigt und Anlaufstellen nennt. Dieses wird flächendeckend jungen Menschen, Eltern, Lehrkräften, Pädagog*innen und der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Im Faltblatt steht deutlich geschrieben: „Lass Dich nicht täuschen! Wenn Dein Freund Geld von Dir erbittet und Dich auffordert Sex mit anderen Männern zu haben: Sag NEIN! Such Dir Hilfe.“ Es wird erläutert: „Jede Frau kann sich in einen Loverboy verlieben.“ Dieser Satz gibt den Betroffenen die Erkenntnis, dass sie nicht „selbst schuld“ sind, sondern in eine Falle geraten sind, in die auch jede andere Frau hätte treten kann. „Kein Grund Dich zu schämen“ steht dort geschrieben und ermutigt damit Betroffene dazu, sich offen dem Problem zu stellen und Kontakt zu einer Beratungsstelle aufzunehmen. „Wenn Du Dir Sorgen um eine Freundin machst, sprich sie an.“ Auch dem Umfeld wird Mut gemacht, das Problem zu thematisieren.
„Wir haben überlegt, wie man auf das Thema aufmerksam machen und Präventionsangebote für junge Mädchen gestalten kann?“, sagte Antje Friedrich (Kinderschutz-Zentrum, Diakonisches Werk) bei einem kürzlich stattgefunden Vernetzungstreffen des AK „Was machst Du aus Liebe?“. „Es braucht Menschen, an die sich Betroffene wenden können. Wir wollen Anlaufstellen schaffen und die Allgemeinheit informieren. Wir wollen potentielle Betroffene und ihr Umfeld sensibilisieren.“ Insbesondere gehe es darum, dass Mädchen lernen „Nein!“ zu sagen. Zu schnell kann es passieren, dass diese in eine Situation geraten, in der sie durch psychische Manipulation dazu genötigt werden, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollen. Das kann im Prinzip jeder Frau passieren.“
Britta Rudolph (Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Husum) sagte, Betroffene dürften sich nicht entmutigen lassen. Mädchen und Frauen sollen in die Lage versetzt werden, auf ihr eigenes Bauchgefühl zu hören und zu erkennen, wann etwas in eine problematische Richtung geht.
Sandra Grams (Mädchentreff Husum) betonte, dass man den Betroffenen die Scham nehmen müsse, über das zu sprechen, was in ihrem Leben passiert. Diesen dürfe nicht mit Vorwürfen reagiert werden, sondern es brauche Verständnis und Hilfsangebote.
Viele Menschen, die sich bisher mit dem Thema „Loverboys“ befasst haben, denken, das gäbe es doch nur in Großstädten und nicht in einer Region wie Nordfriesland. Antje Friedrich macht deutlich, dass es auch in Husum derartige Fälle gibt. Es ist ein Fehler anzunehmen, dass diese Dinge weit weg seien.
Die Online-Konferenz und die Produktion des Faltblattes waren nur die ersten Schritte der Arbeit des AK „Was machst Du aus Liebe?“. Es werden weitere Veranstaltungen zum Thema „Loverboys“ folgen, mit denen auf das Thema hingewiesen wird.
Mitgliederinnen des Arbeitskreises sind: Diakonisches Werk, Kinderschutz-Zentrum Westküste, Frauenberatung & Notruf Nordfriesland, Mädchentreff Husum, das BISS., Mädchentreff Ostenfeld, der Kreis Nordfriesland und Britta Rudolph, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Husum.
Kostenlose und vertrauliche Hilfe erhalten Betroffene und Angehörige bei den folgenden Stellen: Kinderschutz Zentrum Westküste, Frauenberatung & Notruf Nordfriesland, Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen, Contra – Fachstelle gegen Frauenhandel und die psychologischen Beratungszentren Husum und Niebüll.
Das Faltblatt kann hier heruntergeladen werden:
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